Konzerte/Mitschnitte

Woche 5-9 / 29.1.-4.3.07

BOV
Live-Mitschnitt beim 32. Festival für Neue Musik des European Live Electronic Centre (EULEC) / 21.10.2006 in Lüneburg / 53:53

Ernesto Molinari, Kontrabassklarinette
Daniel Weissberg, digitale Live-Elektronik
Michael Harenberg, analoge Live-Elektronik

BOV
BOV besteht aus drei Komponisten die live performen. BOV spielt elektroakustische Musik zwischen Komposition und Improvisation.
Die drei Instrumentarien können sowohl solistisch als auch in jeder Kombination miteinander spielen. Jedes Instrument besitzt
seinen Eigenklang im Raum. Alle Instrumente können zudem mehrkanalig geroutet werden, sich gegenseitig modulieren und im Raumklang
beeinflussen, wobei die Multimikrofonierung der Kontrabassklarinette als Fundament spektraler wie zeitlicher Auffächerungen im Raum
als topologisch-kompositorische Strukturtechnik dient.

Konzept
Eine Kontrabassklarinette und zwei je unterschiedliche live-elektronische Settings, das war 2005 der Ausgangspunkt für die Gründung des experimentellen Komponisten-Ensembles "BOV". Dem traditionellen tiefen Blasinstrument stehen dabei nicht nur die Klangwelten elektroakustischer Musik, sondern auch die Möglichkeiten, mit Hilfe der Live-Elektronik dessen Klang räumlich wie auch zeitlich aufzufalten und ihn mit unterschiedlichen analogen und digitalen Mitteln zu transformieren, gegenüber. Erprobt wird von BOV außerdem die konzeptuell-musikalische Einbeziehung des Raums, der zwischen mehrkanaligen Sound Environments, der an unterschiedlichen Punkten mikrofonierten Kontrabassklarinette und den zwei live-elektronischen Instrumentarien als einzelnen Klang-Orten vielfältig bespielt wird. Weit ab von modischen und bereits wieder standardisierten Surround-Konzepten, ist bei BOV die Multimikrofonierung des grossen Blasinstrumentes Ausgangsmaterial für eine konzeptionell-kompositorische Verteilung der resultierenden Klangschichten als hörbare Klangorte im Raum. Neben dem Eigenklangort der Kontrabassklarinette kann dies die Röhrenverstärkertechnik der analogen Live-Elektronik ebenso sein wie die raumgreifenden Mehrkanalmöglichkeiten der digitalen Live-Elektronik. Durch die Möglichkeiten vor allem der digitalen Live-Elektronik diese vom Instrument bereits nach Klangfarbe und Tonhöhe vorselektierten Klänge weiter frequenzselektiv zu bearbeiten, zu Verzögern und zusätzlich zum verräumlichten Klang des Instrumentes über acht Kanäle in den Raum zu projezieren, wird Klang in seiner räumlichen Disposition zum strukturbildenden Kompositionskriterium zwischen den sehr unterschiedlichen Klangwelten der beteiligten Instrumentarien. Schließlich tragen kompositorisch verstandene Raumprojektionsmodelle zu einer Emanzipation des gesamten Konzeptes der Live-Elektronik von BOV bei, die nicht länger als "Anhängsel" an das alleine selbständig spielende traditionelle Instrument, noch als typisches Genre definierendes Beiwerk gesehen werden kann. Wie alle musikalischen Raumkonzepte die sich die Frage nach ihrer kompositorischen und strukturellen Funktion des 'Raumes' gefallen lassen müssen, können bei BOV alle raumbezogenen Konzepte als Materialisierung kompositorischer Formprinzipen gelesen werden. Mit solchen topologischen Strukturtechniken in Verbindung mit virtuosem Instrumentalspiel, kann eine neue Form gespielter elektronischer Musik "grenzenlos", können echte Experimente und Erfahrungen gemacht und auch den Zuhörern als spannender Prozess nahe gebracht werden. Wenn zudem die Benennung der gespielten Musik weder über Stile noch über die verwendete Technologie länger sinnvoll und möglich erscheint, sondern alleine die musikalischen Inhalte zum entscheidenden Kriterium werden, ist der Versuch einer Performanz kompositorischer Formensprache über die Emanzipation räumlicher sowie live-elektronischer Settings im Sinne eines Instruments jenseits elektroakustischer Standards und Cliches angekommen. Voraussetzung dafür ist ein dualistisches Konzept streng solistischer Instrumentierung einerseits sowie Interdependenz und gegenseitige Beeinflussung in einem Netzwerk voneinander abhängiger musikalischer Ereignisse andererseits. In diesem Sinne muss die Besetzung von BOV als klassisches Trio gedacht werden, in dem jedes der beteiligten Instrumentarien eigenständig spielen kann und auf die jeweils anderen zu reagieren in der Lage ist. Vom musikalischen Material her gedacht, bedeutet das z.B. den Verzicht auf jegliche Samplingtechnologie und die entsprechenden ästhetischen Stilmittel wie Loops und vorgefertigtes Midi-Sequenzing. Dieses sehr "altmodische" Konzept musikalischer Praxis hat seine Wurzeln im Jazz ebenso wiein den avancierten Performanceästhetiken der Neuen Musik und betont den Live-Charakter einer BOV-Performance, die mehr ist als die Bühnenpräsentation einer musikalisch-kompositorischen Studio-Situation (wie sie bei der Live-Präsentation elektroakustischer Musik häufig anzutreffen ist). Die drei Mitglieder von BOV sind sowohl kompositorisch als auch improvisatorisch sowie als Dozenten in ihrem jeweiligen Bereich tätig. Musikalisch bewegen sich die Performances von BOV in den Grenzbereichen zwischen komponierter und improvisierter, gespielter und programmierter Musik.

Ernesto Molinari, Kontrabassklarinette
Seine rege Konzerttätigkeit als Kammermusiker und Solist führen ihn zu den wichtigsten Festivals in ganz Europa u.a. zum Festival d'automne Paris, den Salzburger Festspielen, dem IMF Luzern, und dem Wien Modern. Neben der Interpretation klassischer, romantischer und zeitgenössischer Werke beschäftigt sich Ernesto Molinari mit Jazz und Improvisation. Zahlreiche Werke, die für ihn komponiert wurden, hat er zur Uraufführung gebracht. Rundfunk und CD-Aufnahmen u.a. mit Werken von Arnold Schönberg, Brian Ferneyhough, Jean Barraqué, Michael Jarrell und Emanuel Nunes begleiten seine Konzerttätigkeit. Ernesto Molinari war von 1994 - 2005 Mitglied des Klangforum Wien. Er lebt heute in Bern und ist Dozent an der Hochschule der Künste Bern.

Daniel Weissberg, digitale Live-Elektronik
geboren 1954 in Basel. Klavierstudium bei Klaus Linder und Kompositionsstudium bei Jacques Wildberger, sowie Mitarbeit im elektronischen Studio bei David Johnson am Konservatorium Basel.Anschließend Studium bei Mauricio Kagel. Assistent von Kagel an der Musikhochschule Köln. Sein Schaffen umfasst Solo- und Kammermusik sowie Orchesterwerke, Hörspiele, elektronische Musik,Multimediaprojekte und Werke im Bereich des Neuen Musiktheaters. Er spielt als Interpret live-elektronischer Musik vor allem in eigenen Werken und in Improvisationsensembles. Er ist Dozent an der Hochschule der Künste Bern und leitet dort zusammen mit Michael Harenberg den Studiengang Musik und Medienkunst.

Michael Harenberg, analoge Live-Elektronik
geboren 1961 in Bad Wildungen, studierte systematische Musikwissenschaft in Giessen und Komposition an der städtischen Akademie für Tonkunst bei Toni Völker in Darmstadt. Er beschäftigt sich kompositorisch wie theoretisch mit computergenerierter Musik im Rahmen instrumentaler, installativer sowie improvisierter Musik. Diverse Preise und Stipendien sowie internationale Vorträge und Publikationen zum Schwerpunkt "Musik und digitale Medien". Harenberg ist Professor für musikalische Gestaltung und Medientheorie sowie, gemeinsam mit Daniel Weissberg, Leiter des Studiengangs Musik und Medienkunst an der Hochschule der Künste in Bern. Er lebt als Komponist und Musikwissenschaftler in Karlsruhe.
Als Vorsitzender der "Deutschen Gesellschaft für elektroakustische Musik" (DEGEM) verantwortet er u.a. die Leitung des DEGEM WebRadios.


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