Studioforum
Woche 24 - 27 / 11.6. - 8.7.07
SeaM Weimar: Das Studio für elektroakustische Musik der
HfM FRANZ LISZT Weimar unter der Leitung von
Prof. Robin Minard
1. Constantin Popp: zerbrechlich / 2006 / 7:22
2. Christian M. Fischer: Dispositiv No.2 / 2007 / 5:16
3. Robert Rehnig: Untitled II / 2005-06 / 9:18
4. Ludger Kisters: in between, and further / 2006 / 11:58
5. Olaf Hochherz: draußen / 2006 / 6:33
6. Casey Mongoven: S(n) Rep Sequence no. 18 / 2007 / 2:09
7. Pyoung Ryang Ko: Waiting once again for him / 2006 / 12:04
Constantin Popp: zerbrechlich / 2006 / 7:22
"zerbrechlich" beschreibt Zerfall und Auflösung einer Gemeinschaft. Was sagt man, wenn nichts mehr zu sagen ist.
Als Material wurden Aufnahmen von klassischen Instrumenten in einfachen, plastisch wirkenden Artikulationen genommen,
die dann mit dem Ziel einer morphologischen Auflösung verarbeitet wurden. Anschließend konnten damit auf
mehreren kompositorischen Ebenen Zerfallsprozesse verwirklicht werden, wie z. B. der Tonhöhenorganisation,
Klangfarben, Raumzusammensetzung.
Constantin Popp, geboren 1980 in Berlin, studiert elektroakustische Komposition bei Robin Minard seit 2003. Er erhielt
seither mehrere Kompositionsaufträge, unter anderem vom Via Nova e. V. und dem MDR. Parallel arbeitete er als
Web-Programmierer und / oder technische Hilfskraft für das Institut für Musikwissenschaft, SeaM, die
ETH Zürich und private Auftraggeber. 2007 realisierte er zusammen mit Robin Minard und Ludger Hennig drei
Klanginstallationen für das DeutschlandRadio.
Christian M. Fischer: Dispositiv No.2 / 2007 / 5:16
Abgeleitet von Michel Foucaults diskurstheoretischem Begriff des "Dispositiv" geht es in diesem Stück um das
klangliche Netz, das musikalische Ereignisse verbindet. Dieses Netz besteht aus der Zeit zwischen zwei
Klängen und ist selbstverständlich seinerseits klanglich. Die Bewegungen, die mal dünner
und mal dichter gewobene Struktur in den einzelnen Klangschichten selbst und deren Spiel mit den anderen
Schichten modulieren eigendynamisch ein mehrdimensionales Klangbild. Dieses Bild begreift sich als Zustand
und nicht als lineare Abfolge.
Christian M. Fischer wurde 1973 in Bochum geboren. 1995-2000 Ausbildung und Arbeit als Fotograf in Heilbronn und
Stuttgart; 2000-2004 Studium der Mediengestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar; 2004-2007
Ergänzungsstudium der Elektroakustischen Komposition an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar
und an der Estnischen Musikhochschule Tallinn; Seit 2006 Künstlerisch Wissenschaftlicher Assistent an der
Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Hall.
Robert Rehnig: Untitled II / 2005-06 / 9:18
Stereofassung von 8-Kanal Audio
Untitled II beschäftigt sich mit der Frage nach der subjektiven Realität eines komponierten akustischen
Raumes. Zwei Klangmaterialien werden nacheinander auf gleiche Weise behandelt. Zum einen handelt es sich um das
Lüftergeräusch eines G5-Rechner und zum anderen um eine 4-Kanal-Aufnahme vom Querbahnsteig des Leipziger
Hauptbahnhofes. Beide Materialien durchlaufen, ansonsten unverarbeitet, lediglich eine Filterung des Spektrums.
Durch dieses Ausleuchten der Frequenzbereiche erfährt das simple Lüftergeräusch eine nahezu räumliche
Charakterisierung, während der aufgenommene, reale Raum scheinbar ins Unwirkliche verzerrt wirkt.
Robert Rehnig, geboren 1977, studierte Klavier bei Josef Christof an der HMT Leipzig und Elektroakustische Komposition bei
Robin Minard an der HfM Weimar sowie als Visiting Student an der Concordia University Montréal bei Kevin Austin. Werke
in den Bereichen Klangkunst und Elektroakustische Musik wurden u.a. in Berlin, Dresden, Leipzig, Montréal und Wien
präsentiert. Er ist Mitglied der Canadian Electroacoustic Community.
Ludger Kisters: in between, and further / 2006 / 11:58
für Flöte, Violine und Live-Elektronik, Stereofassung von 4-Kanal Audio
Live-Mitschnitt der Uraufführung, Weimarer Frühjahrstage für Zeitgenössische Musik 2006, mit
Carin Levine, Flöte, und David Alberman, Violine
in between, and further beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis von Instrumentalmusik und
elektroakustischer Klanggestaltung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie sich Berührungspunkte
gegensätzlicher Pole künstlerisch verwirklichen lassen, ohne die spezifischen Eigenschaften der
jeweiligen Komponenten zu vernachlässigen. Zusätzlich zur Live-Elektronik werden auch aufgenommene,
transformierte Klänge zugespielt; es handelt sich dabei neben Flötenklängen um verschiedene
außereuropäische Instrumente wie die kirgisische Maultrommel Oz Komuz und traditionelle Maori-Instrumente
aus Neuseeland wie Mirimiri, geriebene Steine, Hue puru wai, wasserimitierende Kalabassenklänge, und Roria,
eine hölzerne Maultrommel.
Ludger Kisters studierte Komposition bei Michael Obst (Weimar) und Jack Body (Wellington, Neuseeland), z.Z. bereitet
er sich auf das Konzertexamen in elektroakustischer Komposition bei Robin Minard vor. Seine Arbeiten wurden mit
zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, u.a. 1.Preis im Kompositionswettbewerb des Freistaates Bayern
2000, Franz-Liszt-Preis Weimar, Wellington City Council Music Prize, Prix Residence Bourges, Graduiertenförderung
des Land Thüringen, DAAD-Jahresstipendium, Aufenthaltsstipendium Künstlerhof Schreyahn 2007.
Olaf Hochherz: draußen / 2006 / 6:33
Die Komposition basiert auf einem Geräusch, welches mehrmals transformiert wurde. Fünf der resultierenden
Samples hören wir parallel. Sie weisen nur leichte Unterschiede auf. Die Variationen sind weniger die der
Klangfarbe als der Position. Am Ende des Werkes wurden unterschiedliche Teile aus dem Klang herausgefiltert, es
entsteht so etwas wie ein Relief, die Lautstärkeverhältnisse zwischen Vorder- und Hintergrund haben sich
verschoben. Für das ZKM wurde ein Arrangement entwickelt, welches mit Hilfe von Verzögerungen auf den
einzelnen Lautsprechern eine Verräumlichung des Stereo-Signals erzeugt. Diese Verzögerungen werden moduliert,
daraus folgen Frequenzmodulationen. Das Ziel ist nicht, akustische Räume durch Verzögerungsmuster nachzubilden,
sondern Verhältnisse zwischen Lautsprechern zu erzeugen, die dem Charakter der Klänge entsprechen.
Olaf Hochherz studiert seit Oktober 2006 am SeaM, seine Stücke wurden im ZKM Karlsruhe, in der Folkwang Musikschule
Essen, in der Struts Gallery New Brunswick (Canada) und in der Electronic Church Berlin aufgeführt.
Casey Mongoven: S(n) Rep Sequence no. 18 / 2007 / 2:09
Die Fibonacci-Folge beginnt mit den Zahlen {0,1,1,2,3,5,8,13,...}; jede Zahl ist gleich der Summe der zwei
vorangegangenen Zahlen. S(n) Rep Sequence no. 18 basiert auf einer Zahlenfolge, die von der Fibonacci-Folge
abgeleitet ist. Diese Zahlenfolge zählt die Anzahl der Möglichkeiten, eine Zahl ăn̉ als die Summe
einzigartiger Fibonacci-Zahlen darzustellen. Die Zahl 6 kann man auf solche Weise entweder als 1+5 oder als
1+2+3 darstellen; aus diesem Grund ist das 6. Glied dieser Zahlenfolge 2. In diesem Stück wird die Zahlenfolge
vertont, in dem jeder in der Zahlenfolge vorkommenden Zahl ein Ton, eine Klangfarbe und eine Lautstärke zugeordnet
wird. Die mathematischen Eigenschaften der Zahlenfolge werden auf diese Weise in musikalische Eigenschaften umgewandelt.
Der amerikanische Komponist Casey Mongoven wurde 1979 in Kalifornien geboren. Seit 10 Jahren befasst er sich in seinen
Kompositionen ausschließlich mit dem goldenen Schnitt und den Fibonacci-Zahlen. Er lebt in Deutschland seit Anfang
2003 und studiert seit dem Sommersemester 2007 elektroakustische Komposition im Ergänzungsstudium bei Robin Minard
an der Hochschule für Musik in Weimar.
Pyoung Ryang Ko: Waiting once again for him / 2006 / 12:04
Seit Mitte der 90er Jahre wollte ich eine Musik komponieren, welche auf meinem Lieblingstheaterstück Waiting
for Godot basiert. Elektronische Mittel schienen mir für die Realisierung dieses Projektes ideal geeignet.
Als Material wurden 26 Ausschnitte aus drei Mitschnitten des Theaterstücks (zwei englische und eine deutsche
Aufnahme) verwendet. Die Klangsynthese besteht hauptsächlich aus einer sinusförmigen Partialanalyse und
Resynthese durch FFT. Das Stück ist eine Collage der verarbeiteten Klänge und der originalen Ausschnitte
und wurde im Studio der Musikhochschule Leipzig realisiert. Das Werk ist Prof. E. Rödger gewidmet.
Pyoung Ryang Ko studiert seit dem Sommersemester 2007 elektroakustische Komposition bei Robin Minard an der
Hochschule für Musik in Weimar.
Elektronische Studios aus ganz Deutschland und dem Ausland werden hier portraitiert und stellen ihre aktuellen Projekte, Forschungsvorhaben und Entwicklungsarbeiten vor. Das Studio-Forum dient langfristig dem Austausch zwischen den Studios als Produktionsstätten vielfältiger elektroakustischer Musik und Klangkunst.