ZKM | Musik Aktuell

Woche 13-18 / 24.03. - 4.05.08

Slot 1: Portrait: Aleph Gitarrenquartett

01 Nicolaus A. Huber / Der entkommene Orpheus / 2001 / 15:41
02 Helmut Oehring: Mich. Stille / 2000 / 12:16
03 Vinko Globokar: Rêve énigmatique No.135 / 2007 / 18:47
04 Peter Jakober: triften / 2007 / 10:38

Konzertmitschnitt von Samstag, dem 12. Januar 2008, 20 Uhr im ZKM_Kubus


Das Ensemble

Das Aleph Gitarrenquartett ist ein Ensemble zeitgenössischer Kammermusik, das durch seine künstlerische Haltung und die außergewöhnliche Besetzungsform Maßstäbe als Wegbereiter neuer Klangwelten setzt. Zahlreiche Komponisten schreiben speziell Werke für das Gitarrenquartett, das als Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit ein völlig neues Repertoire erschafft und so die klassische Gegenwartsmusik bereichert.
Darüber hinaus regt das Quartett diese Komponisten zu Arrangements traditioneller Werke an. Die Verknüpfung von Neuer Musik und Bearbeitung ermöglicht den Interpreten zusätzlich eine außergewöhnliche Programmgestaltung. Den exklusiven Charakter des Ensembles unterstreichen Klara Tomljanovic, Andrés Hernández Alba, Hubert Steiner und Wolfgang Sehringer bei ihren Konzerten und verbinden dabei hohen Anspruch mit sinnlicher Präsenz.
1993 gegründet, gewann das Aleph Gitarrenquartett den ersten Preis des Karlsruher Kammermusikwettbewerbs. Neben verschiedenen weiteren Auszeichnungen wurde es zweimal in die Villa Massimo nach Rom eingeladen, war Mitglied in der Stiftung Podium junger Künstler und wurde gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung sowie durch die Schweizerische Kulturstiftung Pro Helvetia. Die vier Gitarristen konzertieren regelmäßig auf Festivals Neuer Musik in Deutschland, Europa und Asien und arbeiten mit nationalen und internationalen Rundfunkanstalten zusammen.
Das Aleph Gitarrenquartett wird gefördert von der Stadt Karlsruhe und dem Land Baden-Württemberg.


Werke und Komponisten

Nicolaus A. Huber: Der entkommene Orpheus (2001)
für Gitarrenquartett
Seit vielen Jahren bin ich von Gitarrensolisten und Gitarrenduos immer wieder um ein Stück gebeten worden. Das Gitarrenquartett Aleph und ich haben es endlich geschafft. Das Stück heißt: Der entkommene Orpheus. In der alten Gleichberechtigungsbewegung hat man vorerst alles auch möglichst gleich behandelt. Die Töne fühlten sich demokratisch wohl und glücklich. Nur die Unzufriedenheit hat sich beschwert. Sie hasste am Ende diese komplexe Eindeutigkeit. Bedeutung sollte auch bei eindeutigen Tendenzen im Stück nie ein eindeutiges Leben führen können. Das Stück ist natürlich nur ein Minibeitrag! Im Mythos bezauberte Orpheus auch Steine und Bäume, drehte sich zu früh nach der geliebten Eurydike um (denken Sie nur an den Pünktlichkeitsfanatiker Schönberg - wenigstens nach Richard Buhlig), verweigerte sich dem Dienst des Dionysos - und er, der Zeit seines Lebens die Saiten der Leier angerissen hatte, wurde nun zur Strafe von den thrakischen Mänaden selbst zerrissen. Sein Kopf jedoch und seine Leier schwammen übers Meer und landeten auf Lesbos. Eine Saite ist eine Saite ist eine Saite!!!

Nicolaus A. Huber
Nicolaus A. Huber, geboren 1939 in Passau, begann 1962 bei Franz Xaver Lehner in München Komposition zu studieren. Später schloss er Studien bei Günter Bialas und Luigi Nono an sowie gemeinsame Arbeiten mit Joseph Anton Riedl und seinem Ensemble. 1974 konzipierte er die "Tage für Politische Musik" in Bonn. Im selben Jahr wurde Huber Professor für Komposition an der Essener Folkwang-Hochschule. Von 1975 bis 1980 arbeitete er mit Peter Maiwald und einer freien Theatergruppe und tourte mit politischen Revueprogrammen. Nicolaus A. Huber, dessen Kompositionen renommiert sind und international aufgeführt wurden, erhielt verschiedene Preise, darunter den Kulturpreis für Musik der Stadt München und den Berliner Förderpreis Musik. Seit 1992/93 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und Leipzig.

Helmut Oehring: Mich. Stille (2000)
für Gitarrenquartett mit Zuspielband (aus: Cruising/Opfer)
Besser als mit den herkömmlichen sprachlichen Analyse-Kategorien der Musikwissenschaft lässt sich die Musik Oehrings mit einer dem Film entlehnten Begrifflichkeit beschreiben: Schnittfrequenz, Schuss-Gegenschuss, Ellipse, Überblendung, fade-in, fade-out, Zeitlupe, Zeitraffer. Mit den einzelnen Einstellungen eines Films vergleichbar, arbeitet die Musik Helmut Oehrings über weite Strecken mit isolierbaren Einheiten von wenigen Takten Länge, mit bestimmten musikalischen Gestalten, deren Prägnanz sich in erster Linie über ihren gestischen Charakter und weniger über Harmonie, Melodie und Rhythmus oder Instrumentierung mitteilt.
Daniel Kötter

Als Cruiser bezeichnet man Menschen, die aufgrund einer angenommenen oder tatsächlichen Persönlichkeitsstörung scheinbar ziellos und getrieben herumirren auf der Suche nach einer "Begegnung". "Cruisen" ist der Zustand eines Suchens. Nach einem Ort, einem Opfer und Erlösung. Man wird z.B. zum Sexualmörder wegen einer Perversion, eines Impulsdurchbruchs, einer Persönlichkeitsstörung, einer neurotischen Entwicklung, Hirnschädigung, Minderbegabung, seltener wegen einer Psychose - aber auch wegen irgendwelcher Zufälle, irgendwelcher Umstände: Das ist dann das Drama im Drama.

Helmut Oehring
Helmut Oehring wurde 1961 als Sohn gehörloser Eltern in Ost-Berlin geboren. Nach einer Ausbildung zum Baufacharbeiter war er in der 1980er Jahren in verschiedensten Berufen tätig, beschäftigte sich aber zur selben Zeit bereits intensiv mit der komponierten Musik der europäischen Moderne. Als Autodidakt im Gitarrenspiel und in Komposition war er zwischen 1992 und 1994 - nach Konsultationen bei André Asriel, Helmut Zapf, Georg Katzer und Friedrich Goldmann - Meisterschüler von Georg Katzer an der Berliner Akademie der Künste, zu deren Mitglied er 2005 gewählt wurde. 1994/95 war er Stipendiat an der Villa Massimo in Rom und erhielt seitdem zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Hanns-Eisler-Preis des Deutschlandradios Kultur, den Orpheus Kammeroper-Preis Italien und den Schneider-Schott-Preis. Der Hindemith-Preis wurde ihm für sein gesamtes Schaffen verliehen, das bis heute rund 150 Werke umfasst: Solowerke, Kammermusik, Orchesterkompositionen, Opern und Musiktheaterwerke, Theater- und Filmmusik, Liederzyklen, Hörspiele sowie ein LeseHörBuch.
Oehrings Kompositionen und Produktionen entstanden oft in engem Austausch mit unterschiedlichsten Künstlern, Ensembles und Institutionen - mit Regisseuren wie Ruth Berghaus, Ulrike Ottinger, Daniele Abbado, Claus Guth und Maxim Dessau, Choreographen wie Joachim Schlömer, Dirigenten wie Ingo Metzmacher, Lothar Zagrosek, Martyn Brabbins oder Roland Kluttig, Orchestern wie dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder dem Staatsorchester Stuttgart sowie mit nahezu allen namhaften Ensembles für zeitgenössische Musik. Seine Werke werden in Konzertsälen und auf Bühnen in ganz Europa, Asien und Nordamerika aufgeführt.

Vinko Globokar: Rêve énigmatique No. 135 (2007)
für Gitarrenquartett und Live Sampler
produziert im ZKM | Karlsruhe (Produktion der Samplerklänge: Josh Martin)

Vinko Globokar
Vinko Globokar misstraut allen Konventionen. Das gibt ihm die künstlerische Freiheit, klassische Instrumente umzufunktionieren und auch nicht-musikalische Objekte in seine Werke mit einzubeziehen. Vinko Globokar, 1934 als Sohn slowenischer Emigranten in Anderny (Frankreich) geboren, begann seine musikalische Laufbahn als Jazzmusiker einer kleinen Tanzkapelle in Ljubljana, wo er seit seinem 13. Lebensjahr wohnte. 1955 studierte er am Pariser Conservatoire Posaune sowie Dirigieren und Komposition bei René Leibowitz. Außerdem war er Schüler von Luciano Berio. Als Solist hat er später viele Posaunenwerke von Luciano Berio, Mauricio Kagel, Karlheinz Stockhausen u.a. uraufgeführt. Als Komponist wies sich Globokar bereits 1966 mit seinem Erstlingswerk Voie als große Begabung aus. Während seiner Zeit als Professor an der Musikhochschule Köln (1967-1976) gingen eine ganze Reihe später berühmt gewordener Komponisten bei ihm in die Lehre. 1969 war er Gründungsmitglied der Gruppe für Improvisation "New Phonic Art". Von 1973 bis 1979 leitete er die Abteilung Instrumental- und Vokalforschung am Institut de Recherche et de Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) in Paris. Von 1983 bis 1999 arbeitete er als Lehrer und Dirigent für Musik des 20. Jahrhunderts mit dem Orchestra Giovanile Italiana di Fiesole (Florenz). Globokars umfangreiches OEuvre reicht von Werken für einzelne Soloinstrumente über Ensemblemusik bis hin zu szenischen und symphonischen Kompositionen.

Peter Jakober: triften (2007)
für Gitarrenquartett und Elektronik
In triften wird die bereits in mehreren meiner Stücken zur Anwendung gebrachte Methodik der Pulsüberlagerung fortgeführt und weiterentwickelt. Mein Hauptinteresse besteht darin, das Phänomen der Gleichzeitigkeit in der Musik zu hinterfragen.
Das Heranführen des Klanges an eine scheinbar unmögliche Gleichzeitigkeit, deren Erreichen und deren unvermeidliches Zerbrechen im Raum, sind die Hauptmotive, um die sich ein vielschichtiger Klangraum aufspannt. Durch die unterschiedlichen Tempoüberlagerungen kommt es zur teilweisen Auslöschung des Grundpulses, was zu einem drängenden und treibenden Klanggeschehen führt.

Peter Jakober
Peter Jakober, 1977 geboren und aufgewachsen in der Südsteiermark. Ab 1984 Musikunterricht an der Musikschule in Leibnitz, wo er auch das Realgymnasium besucht und1995 maturiert. 1998 Wechsel von der Karl-Franzens- Universität an die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz. Dort studierte er bis 2006 Komposition bei Georg Friedrich Haas und Gerd Kühr und schloss mit Auszeichnung ab. Interpretiert wurden seine Werke bis dato durch das ensemble recherche, das Aleph Gitarrenquartett, das Klangforum Wien, das Ensemble für Neue Musik, das Grazer Orgelpfeifenorchester, sowie MusikerInnen anderer Grazer und Wiener Ensembles. Aufführungen bei den Klangspuren Schwaz, beim Avantgarde Festival in Schiphorst, dem Festival Sakra!, dem Musikprotokoll im steirischen herbst, den Paul Hofhaimer Musiktagen, Wien Modern u.a. Gemeinsam mit Erich Ranegger 2003 Gründung der seither jährlich stattfindenden Veranstaltung "Hörfest", die insbesondere jungen KomponistInnen eine Plattform für Aufführungen bietet. Peter Jakober lebt und arbeitet derzeit in Rotterdam.

ZKM | Institut für Musik und Akustik
Leitung: Prof. Ludger Brümmer
Projektkoordination: Dr. Achim Heidenreich
Projektmanagement und Programmheft: Tom Zielen
Klangregie: Thomas Saur
Tonassistenz: Oliver Roth
Licht: Manuel Weber
Technik: Carsten Tradowsky und Martin Herold



Slot 2: Portrait Kyoshi Furukawa
Komponist und Medienkünstler

Music by Numbers

01. Fractal Music I - V (nonlinear structur)
Bösendorfer Flügel controlled by computer / 1992 / 14:37

02. Forms I - X (extendet imagination)
- virtual piano / sampler / 1996-2000 / 15:25

03. 6 Processions (fictional folc music)
- virtual piano / sampler / 2002 / 12:16

04. Variations of Variations I - X (logic filter)
- virtual piano / sampler / 2005 / 19:03


Kyoshi Furukawa wurde 1959 in Tokio, Japan geboren und ist regelmäßig und nach Möglichkeit mehrmals jährlich Gastkünstler des ZKM, insbesondere des ZKM | Institut für Musik und Akustik. Kompositionsstudien bei Yoshiro Irino, Isang Yun und György Ligeti. Seit 1984 hat er intensiv mit elektronischen Medien gearbeitet, u.a. im Computermusikzentrum der Stanford Universität und im ZKMInstitut für Musik und Akustik. Er geht in seinen Stücken weit über die klassischen Anwendungen der Musikelektronik hinaus, indem er etwa den Einsatz von Chaostheorien, interaktiver Technologie und die Verbindung von Musik und computergenerierten Bildern und Animationen konsequent weiterentwickelt. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, u.a. ÇEnsembliaÇ Mönchengladbach, 1983, Prisma-preis Hambrug, 1990, Siemens-Projektstipendium, 1992/93, NDR Musik-Preis, 1994.


Hören Sie Mitschnitte aus dem vielfältigen Konzertbetrieb im ZKM-Kubus sowie künstlerische Eigenproduktionen des ZKM | Institut für Musik und Akustik.