Studioforum
Februar / März 2011
Portrait hans w. koch
1)
micro ambush (2005) / 18:20
2) stereo sport (2009) / 9:21
3) a qubit of emotion (2008) /
5:32
4) erfindungshöhe hausmusik
(2006) / 12:59
5) bad lausick (2006) / 6:23
6) call first (aria) (2002) /
2:03
7) digitizer (2000) / 8:31
8) dazwischer (2001) / 14:22
9) strang (2002) / 8:07
10) [X∞ = op (X∞)]3 (1997/2008)
/
24:19
hans w. koch is a composer, performer and sound artist and lives in cologne.
bio
2007 visiting professor at the california institute of the arts,
teaching composition and experimental sound practices
1995 graduation as composer at the music college of cologne
1988-95 studies at the music college of cologne. beginning with music
theory, from 1989 on composition with johannes fritsch and piano with
erwin kuckertz
1984-88 studies at the university of education, weingarten: music,
history, physics. graduation with 1. staatsexamen in 1988.
(middle-school teacher)
1983-84 studies at the university of tübingen: egyptology, ancient
oriental studies, religious studies
works
micro ambush (2005)
fuer violine (david nunezanez) und tenorblockfloete (susanne froehlich)
aufnahme:
04.
05.
2005
kunststation st peter, koeln, yannick williox / black
jackets company bruessel
basierend auf den 18 akkorden aus stephen montagues "the eyes of
ambush" wird diese abfolge auf verschiedene äquidistante
oktavunterteilungen projeziert.
die oktavunterteilungen sind aus dem ambitus der akkorde abgeleitet: der 5. akkord hat z. den weitesten ambitus, 29 halbtöne, der letzte (18.) akkord den kleinsten (2 halbtöne). die "reihe" der ambiti ist dann umgekehrt proportional zur "reihe" der oktavunterteilungen, so dass akkord 5 eine oktavunterteilung entsprechend akkord 18 zugeordnet ist: eine weite leere von tritoni und oktaven (oktavunterteilung durch 2 entsprechend dem ambitus von akkord 18). dadurch wird die "gestalt" aus expansion und kontraktion der ursprünglichen akkordfolge gewahrt.
stereo sport (2009)
audiostück
"stereo sport" entstand auf einladung von ludo engels, ein audiostück für die von ihm kuratierte reihe "geluidpost" im kunstraum lokal1 in breda beizusteuern. das stück basiert auf einer aufnahme meines stückes "presumption&failure" für zwei badmintonspieler und livelelektronik von 2004.
dieses stück lässt sich so beschreiben: vermutungen (z.b. über flugbahn und -dauer des federballs) und deren scheitern sind teil des federballspiels. zu beginn spielen die beiden spieler ihr spiel, der computer hört zu und bildet sich dabei seine vermutungen über den spielverlauf. nach einer weile trägt er sie bei, wobei aus der differenz zwischen vermutung und realität tonhöhen abgeleitet werden. im dritten teil versuchen die spieler, den vermutungen des computers entsprechend zu spielen, um tonhöhendifferenzen zu eliminieren. die rolle des dritten mitspielers ist, dem computer die spieldaten einzugeben. (auch er ist in seinen beobachtungen vermutungen und scheitern unterworfen).
a qubit of emotion (2008)
für violine, viola und cello, jedes mit einem laptop
auftrag der bbc
aufnahme:
30.
11.
2008
huddersfield contemporary music festival / bbc
ensemble apartment house
the indian system of emotions, which, however codified, is encrypted into cage's sonatas & interludes, discerns between 4 "white" emotions (humor, wonder, erotic, and heroic) and 4 "black" (anger, fear, disgust, and sorrow) gravitating towards the ninth: tranquility. transcending the binary black/white, this reminds the state vector of quantum mechanics, which, only upon observation, collapses into one finite state. in other words, tranquility could be seen as an emotional qubit: a superposition of states of the black and white emotions, undecided until measured. "a qubit of emotion" aims to construct an emotional quantum computer, conveying informations between wetware (the instrumentalists), hardware (the instrument - laptop system) and software (score & programs running). the observers (audience) may take individual measurements and thus personally collapse the state vector. (note: since black and white both have several substates, the correct term would be "qudit", indicating a plurality of states rather than binary).
erfindungshöhe hausmusik (2006)
für tenorblockflöte (lucia mense), el. gitarre (seth josel)
und live-elektronik (h. w. koch)
aufnahme: 9.2. 2006 galerie rachel haferkamp koeln, privater mitschnitt
aus den ergänzungen des europäischen parlaments zum richtlinienvorschlag der europäischen kommission zu softwarepatenten, mai 2004:
artikel
2b:
"technischer
beitrag",
auch "erfindung" genannt, bedeutet einen
beitrag zum stand der technik auf einem gebiet der technik. die
technizität des beitrags ist eine von vier vorraussetzungen der
patentierbarkeit. zusätzlich muss der beitrag neu, nicht
naheliegend und gewerblich anwendbar sein.der einsatz von
naturkräften zur berherrschung physikalischer wirkungen über
die digitale darstellung von information hinaus gehört zu einem
gebiet der technik. die verarbeitung, handhabung und darstellung von
information gehören nicht zu einem gebiet der technik, selbst wenn
technische vorrichtungen für solche zwecke verwendet werden."
den klassischen hausmusikinstrumenten blockflöte und gitarre hat
sich in jüngerer zeit ein drittes, der computer beigesellt.
ähnlich wie für seine älteren kollegen eine reichhaltige
literatur an vereinfachungen und bearbeitungen existiert, gibt es in
form von virtuellen instrumenten ein breites spektrum an verkleidungen
für den -an sich unmusikalischen- gesellen.
das bringt mich auf die frage nach der patentierbarkeit von erfindungen
oder, etwas weiter gefasst, den eigentumsverhältnissen von ideen.
als komponist der einen grossteil seiner werke der verwendung von
(freier) software verdankt, verfolge ich die derzeitige diskussion
über die erteilung von softwarepatenten nach amerikanischem muster
mit ziemlicher besorgnis.
gleichzeitig kann ich nicht leugnen, dass auch das veröffentlichen
eines neuen stückes eine art patentantrag bedeutet, der bestimmte
ideen als meine markiert, ohne dass ich im einzelfall immer bis ins
letzte ermitteln kann, ob ich nicht das rad wieder erfunden habe.
erfindungshoehe hausmusik wird versuchen, sich dieser problematik zu
stellen und auf der basis von altbekanntem material einen beitrag zum
stabd der technik des komponierens zu leisten, der "neu, nicht
naheliegend und (wahrscheinlich wieder eher nicht -hwk) gewerblich
anwendbar" ist.
bad lausick (2006)
audiostück, stimme: bettina wenzel
das
stück
entstand
als
auftrag für die 2006er ausgabe des
festivals "was hören wir" der denkmalschmiede höfgen und
bezieht sich auf die historischen wandlungen des namens der stadt bad
lausick, in der das festival als musikalisierte stadt zu gast war.
alle klänge sind aus sprachaufnahmen der erschiedenen stadtnamen
entwickelt.
call first (aria) (2002)
für stimme (bettina wenzel) und live-elektronik (h.w. koch)
aufnahme: 7.7. 2002, alte feuerwache köln
der
erste
einer
serie
von 19 beschwörenden rufen, 1584 dem englischen
universalgelehrten john dee und seinem gehilfen edward kelly
während einer reihe von spiritistischen sitzungen in der sprache
der engel (enochisch) übermittelt. die elektronische
transformation dient als vehikel, um -ähnlich einer richtigen
beschwörung- die stimme mit ihren inneren räumen in kontakt
zu setzen.
das stueck ist eine studie zu meiner oper "passage des anges", die 2002
als teil der gemeinschaftsproduktion "unbezahlbare arien" mit zdenek
plachy am stavovske divadlo in prag aufgeführt wurde und die ganz
auf den protokollen von dees seancen zwischen 1583-87 basierte.
digitizer (2000)
für tenorblockflöte (lucia mense) und davon kontrollierte
liveleketronik
aufnahme
1.
10.
2000,
heinz-nixdorf museum paderborn, privat.
"die blockflöte als versuchskaninchen in einem sich ständig
selbst modifizierenden digitalen klangdschungel. wie in einem
computerspiel müssen reaktionen erforscht, fallen umschifft
werden. am ende sollte die elektronik schachmatt gesetzt sein."
das stück "digitizer" wurde mit hilfe des
computerprogrammierbaren modularsynthesizers "micromodular" realisiert.
die flöte bewegt sich interagierend durch vier "levels" der
komposition, die jeweils klanglich spezifische reaktionsweisen
erfordern (und hier die traditionelle satzfolge ersetzen).
dazwischer (2001)
für el. gitarre und liveelektronik (ein spieler)
aufnahme: 11.11.2009 beim guitar festival muenster, es spielt seth josel
durch
die
koppelung
der
länge eines delays an die intensität der
rückkopplung zwischen elektrischer gitarre und dem
verstärker, auf dem sie liegt, entsteht ein labiles gleichgewicht,
in das der interpret nur eingreift, um es zu stören. der fiktive
komparativ von dazwischen charakterisiert die situation des
stückes zwischen mehreren stühlen: installation -
konzertstück - akustisch - elektronisch - versuchsanordnung - werk
- für gitarre - für elektronik
eine elektrische gitarre liegt auf einem gitarrenverstärker. die
entstehende rückkoppelung schwingt sich auf eine tonhöhe ein,
die sowohl von der akustik der gitarre als auch des verstärkers
und des umgebenden raumes abhängig ist. alle (für
kürzere versionen: mindestens die drei tiefsten) saiten werden auf
diese tonhöhe gestimmt. die rückkoppelung wird so
eingepegelt, dass sie sich nicht aufschaukelt. in den
rückkoppelungsweg werden dann zwei von der amplitude der
rückkoppelung gesteuerte delays geschaltet. (im computer
realisiert). die delayzeit verlängert sich bei steigender
amplitude der rückkoppelung. dadurch wird ein übersteuern der
rückkoppelung verhindert und es entstehen durch die
veränderung der delay-auslesezeit zusätzliche klänge und
tonhöhen. aufgabe des gitarristen ist es, immer dann aktiv zu
werden, wenn das system wieder einen stabilen zustand erreicht hat:
sobald sich die rückkoppelung auf eine feste tonhöhe
eingeschwungen hat, beginnt er die oberste saite ein wenig zu lockern.
dadurch wird der stabile zustand labil, das ganze system gerät in
bewegung und muss sich neu einschwingen. sobald dies erfolgt ist,
lockert er die nächste saite. dieser wechsel wiederholt sich so
lange, bis die saiten ganz lose auf dem griffbrett liegen und gar keine
schwingung mehr möglich ist. es findet also ein ständiger
wechsel zwischen aktivität des gitarristen und aktivität des
klingenden systems statt, ein gitarrenstück, das am meisten
klänge erzeugt, wenn der gitarrist die wenigsten bewegungen macht.
strang (2002)
fuer el. gitarre (seth josel), harfe (rhodri davis), violoncello (anton
lukosievice) und 3-kanal live-elektronik (hans w. koch)
aufnahme 17.7.2002 deutschlandfunk, kunststation st peter, koeln
idee:
kammermusik erscheint dann am gelungensten realisiert, wenn mehrere
musiker wie an einem strang ziehen und dadurch zu einer uebergeordneten
einheit verschmelzen. diese metapher ist hier ins woertliche gekehrt,
indem die musiker tatsaechlich gemeinsam an einer schnur ziehen, die,
zum kreis geknuepft, durch die saiten ihrer instrumente geflochten ist.
was sich zu beginn wie ein worksong in gleichem rhythmus etabliert,
geraet in der folge des stuecks aus den fugen, wenn ploetzliche
geschwindigkeits- oder richtungsaenderungen von einzelnen spielern
eingebracht werden. aus dieser offenheit gegenueber eigenwilligen
impulsen im konflikt zum angebunden sein an den gemeinsamen strang
bezieht das stueck seine raison d`être.
projektbeschreibung:
die vier musiker sitzen im kreis. durch die saiten ihrer instrumente
ist eine schnur zum kreis geknuepft, die die vier instrumente
miteinander verbindet. die schnur besteht aus abwechselnd glattem und
rauhem material, in das in unregelmaessigen abstaenden knoten geknuepft
sind. jeder musiker fasst mit seiner rechten hand die schnur, die sie
in gemeinsamem rhythmus und wechselnder geschwindigkeit durch die
saiten ziehen. die linke hand ist die spielhand, mit der auf den saiten
toene gegriffen werden. durch die verschiedenen materialien der schnur
und die knoten darin werden die saiten der instrumente nacheinander
unterschiedlich angeregt. jeder spieler hat dazu einen bestimmten
vorrat an gegriffenen tonhoehen, der als schicht unabhaengig von der
art der anregung ist. die entstehenden klaenge sind extrem zart und
werden elektronisch verstaerkt.
die elektronik ist mittels eines sensors ebenfalls mit der schnur
verbunden, aus den so gewonnenen daten werden informationen zur
steuerung von modulation und raumposition der akustischen instrumente
abgeleitet.
[X∞ = op (X∞)]3 (1997/2008)
live-feedbacksystem + zuspielung(gesprochen: klammer auf: x von
unendlich ist gleich operation x von unendlich: klammer zu, hoch drei)
die
arbeit
basiert
auf
aufnahmen in meiner installation [X ∞ = op (X∞)]2
für die BrückenMusik 3, 1997. sie ist teil einer werkreihe,
die sich auf eine formel des österriechisch amerikanischen
philosophen heinz von foerster bezieht. in dieser formel wird ein
autopoietisches system beschrieben, das hier auf klang angewendet wird.
was klingt (X) wird teil dessen, was erklingen wird (op(X)) infolge
einer kontinuierlichen überlagerung auf einer tonbandschleife (
∞). ein kleines rückkoppelungssystem (eine pappröhre mit
mikrophon und kleinem lautsprecher) und ein grosses
rückkoppelungssystem (der langgestreckte erste raum im hohlkasten
der deutzer brücke mit mikrophon und lautsprecher an
gegenüberliegenden enden) sind miteinander verschränkt (2).
die formel entstammt ursprünglich einem text heinz von
försters.
„will man hier noch immer nach einer ursache-/wirkungsrelation suchen,
dann kann man sie nicht in dem paar reiz/reaktion suchen, sondern nur
dort, wo zugehörigkeit besteht, und die findet man im paar op/x∞
oder, in anderen worten, im paar organismus/verhaltensweise. nicht der
reiz, sondern der organismus ist für sein verhalten
verantwortlich.“
(aus: heinz von förster: entdecken oder erfinden; münchen 1985)