Berichte/Features

Februar / März 2011

Das Studio für elektronische Musik an der Musikhochschule Köln - sein technologisches und kompositorisches Instrumentarium

Eine Sendung von Hans Ulrich Humpert.
Technische Realisation: Marcel Schmidt.


Teil 1 des zweiteiligen Portraits mit eigenen Studioproduktionen (Werke von Obst, Mandolini, Menezes, Chorzempa, Humpert, Valente, Chagas, McGuire, Suberg, Jentzsch und Fabian).


Temperamentvolle Nüchternheit
Zum Tode des Komponisten, Studioleiters und Lehrers Hans Ulrich Humpert
von Rainer Nonnenmann (August 2010)

Er war einer der ersten Studenten des von Herbert Eimert nach dessen Pensionierung 1963 als Leiter des Studios für Elektronische Musik des WDR an der Kölner Musikhochschule aufgebauten Elektronischen Studios. Dank technischer Unterstützung durch den WDR konnte dieses Hochschulstudio 1965 in Betrieb genommen werden. Damit war es weltweit zum ersten Mal möglich, Elektronische Komposition als selbständige Disziplin zu studieren. Hans Ulrich Humpert, am 9. Oktober 1940 in Paderborn geboren, hatte bereits seit 1961 an der Kölner Hochschule Schulmusik sowie Schlagzeug bei Christoph Caskel und Komposition bei Rudolf Petzold studiert. Jetzt studierte er zusätzlich Elektronische Musik bei Eimert, dessen Assistent er 1968 wurde und mit dem er zusammen „Das Lexikon der elektronischen Musik“ herausgab, das die technologischen Errungenschaften von den frühen Elektronischen Instrumenten der 1920er Jahre bis zur analogen Magnetband- und Synthesizertechnik systematisch aufarbeitete. Auch später äußerte sich Humpert in Aufsätzen und Rundfunkbeiträgen immer wieder als engagierter Anwalt und Vermittler der Elektronischen Musik. Instruktiv und humorvoll zugleich ist seine „Kleine Geschichte der elektronischen Musik“, eine WDR-Produktion von 2002.

    Nachdem Humpert bereits ab 1968 als Lehrbeauftragter an der Kölner Musikhochschule gewirkt hatte, wurde er nach Eimerts Tod 1972 selber Leiter des Hochschulstudios und Professor für elektronische Komposition. In dieser Funktion begleitete er die revolutionären Veränderungen von der Analogtechnik zu den digitalen Generations- und Transformationsverfahren der Gegenwart. Als wichtiger Zeitzeuge dieser Entwicklung kam er noch 2009 in einer von Michael Beil, seinem Nachfolger an der Hochschule, betreuten Video-Dokumentation über das Studio für Elektronische Musik des WDR ausgiebig zu Wort. Bis zu seiner Emeritierung 2007 unterwies Humpert mehrere Generationen in der Technik und Ästhetik der Elektronischen Musik. Zusammen mit dem Toningenieur Marcel Schmidt betreute er zahllose Übungsarbeiten und mehr als zweihundert elektronische Werke von etwa siebzig zumeist jungen Komponisten aus zirka zwanzig Ländern, von denen die meisten auch in einem der zahllosen von Humpert veranstalteten Aulakonzerte präsentiert wurden. Unter seinen Schülern befinden sich so verschiedene Künstler wie Johannes Kalitzke, Marcus Schmickler, Flo Menezes, Juan María Solare, Steingrimur Rohloff, Harald Muenz, Thomas Taxus Beck, Timo Ruttkamp und Sascha Janko Dragicevic. Als Komponist eher von lokaler oder – Dank Sendungen im WDR – regionaler Ausstrahlung, wirkte Humpert während 35 Jahren als Hochschullehrer und Studioleiter dennoch international auf zahlreiche Komponisten, die heute zum Teil ihrerseits als Kompositionslehrer oder Studioleiter im In- und Ausland tätig sind. Manchen neuen technologischen und ästhetischen Erscheinungen auf den Feldern Computermusik, Electronica, Intermedialität, Video und Neuen Medien stand er indes skeptisch bis ablehnend gegenüber.

    Obwohl institutionell an der Kölner Hochschule fest verankert, engagierte sich Humpert seit den 1960er Jahren in der Kölner freien Musikszene. Mit sieben anderen ehemaligen Kompositionsstudenten der Kölner Hochschule, vor allem aus der Klasse von Bernd Alois Zimmermann, hatte er 1968 die „Gruppe 8“ gründete, um gemeinsam Konzerte zu veranstalten und – im Geist der damaligen Zeit – alternative Produktions- und Präsentationsformen, Kollektivkompositionen und Improvisationen zu entwickeln. So schuf er beispielsweise gemeinsam mit Manfred Niehaus und Georg Kröll eine „Stadtmusik zur Olympiade“ in München 1972 mit dem programmatisch offenen Titel „Das Ohr auf der Straße“. 1982 gehörte Humpert neben Monika Lichtenfeld, Renate Liesmann-Gümmer, Johannes Fritsch und Reinhard Oehlschlägel zum Gründungsvorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik, der er als Mitglied bis zu letzt verbunden blieb. Noch im Mai dieses Jahres widmete ihm die KGNM ein Porträtkonzert im Vorfeld seines 70. Geburtstags im Oktober. Auch kulturpolitisch engagierte sich Humpert, etwa im Zusammenschluss der freiberuflichen Kölner professionellen Musikerinnen und Musiker „Initiativkreis Freie Musik – IFM“. Darüber hinaus war er in der Kölner Szene als ebenso reger wie kritischer Besucher von Konzert- und Vortragsveranstaltungen präsent, der nie einen Hehl daraus machte, wie viel oder wenig er von etwas hielt. Oft legte er dann einen trockenen Humor an den Tag, in welchem sich die geradlinige Offenherzigkeit des Ostwestfalen mit der toleranten Lebenslust des langjährigen Wahlkölners zu einer temperamentvoll heiteren Nüchternheit verbanden.

    Neben Elektronischer Musik, Klavier- und Kammermusik sowie vereinzelten Ensemble- und Orchesterwerken schuf Humpert etliche Hörspiele. Zuweilen arbeitete er regelrecht an Parallelprojekten, die sowohl in Kompositionen als auch Hörspielen Gestalt fanden, so etwa 1985 die „Approci a Petrarca“ für Kammerorchester und elektronische Klänge und 1986 die WDR-Hörspielproduktion „Annäherung an Francesco Petrarca“. Auch in anderen Arbeiten – späte Früchte seines Germanistik- und Geschichtsstudiums an der Kölner Universität – verband er Musik mit Dichtung, Literatur und Literaturgeschichte. Einen besonderen Rang nahmen für ihn Zentralfiguren der deutschen Romantik ein, Novalis, Bettina von Arnim, Susette Gontard und Adalbert Stifter, mit denen er eindrücklich den Beweis erbrachte, dass sich neue Musik und romantischer Schwarmgeist gut vertragen. Noch wenige Tage vor seinem Tod arbeitete er im WDR an einem „Requiem für Heinrich Heine“, das nun unvollendet bleibt. Am 29. August 2010 ist Hans Ulrich Humpert in Köln seinem Krebsleiden erlegen.


Hören Sie auf diesem Sendeplatz Reportagen von Festivals, Symposien, Kongressen und Ausstellungen rund um die vielfältige Szene der elektroakustischen Kunst.