Studioforum

April / Mai 2014

Portrait Hans W. Koch

1) micro ambush (2005) / 18:20
2) stereo sport (2009) / 9:21
3) a qubit of emotion (2008) / 5:32
4) erfindungshöhe hausmusik (2006) / 12:59
5) bad lausick (2006) / 6:23
6) call first (aria) (2002) / 2:03
7) digitizer (2000) / 8:31
8) dazwischer (2001) / 14:22
9) strang (2002) / 8:07
10) [X∞ = op (X∞)]3 (1997/2008) / 24:19

www.hans-w-koch.net

hans w. koch is a composer, performer and sound artist and lives in cologne.

bio
2007 visiting professor at the california institute of the arts, teaching composition and experimental sound practices
1995 graduation as composer at the music college of cologne
1988-95 studies at the music college of cologne. beginning with music theory, from 1989 on composition with johannes fritsch and piano with erwin kuckertz
1984-88 studies at the university of education, weingarten: music, history, physics. graduation with 1. staatsexamen in 1988. (middle-school teacher)
1983-84 studies at the university of tübingen: egyptology, ancient oriental studies, religious studies

works

micro ambush (2005)
fuer violine (david nunezanez) und tenorblockfloete (susanne froehlich)

aufnahme: 04. 05. 2005 kunststation st peter, koeln, yannick williox / black jackets company bruessel
basierend auf den 18 akkorden aus stephen montagues "the eyes of ambush" wird diese abfolge auf verschiedene äquidistante oktavunterteilungen projeziert.

die oktavunterteilungen sind aus dem ambitus der akkorde abgeleitet: der 5. akkord hat z. den weitesten ambitus, 29 halbtöne, der letzte (18.) akkord den kleinsten (2 halbtöne). die "reihe" der ambiti ist dann umgekehrt proportional zur "reihe" der oktavunterteilungen, so dass akkord 5 eine oktavunterteilung entsprechend akkord 18 zugeordnet ist: eine weite leere von tritoni und oktaven (oktavunterteilung durch 2 entsprechend dem ambitus von akkord 18). dadurch wird die "gestalt" aus expansion und kontraktion der ursprünglichen akkordfolge gewahrt.

stereo sport (2009)
audiostück

"stereo sport" entstand auf einladung von ludo engels, ein audiostück für die von ihm kuratierte reihe "geluidpost" im kunstraum lokal1 in breda beizusteuern. das stück basiert auf einer aufnahme meines stückes "presumption&failure" für zwei badmintonspieler und livelelektronik von 2004.

dieses stück lässt sich so beschreiben: vermutungen (z.b. über flugbahn und -dauer des federballs) und deren scheitern sind teil des federballspiels. zu beginn spielen die beiden spieler ihr spiel, der computer hört zu und bildet sich dabei seine vermutungen über den spielverlauf. nach einer weile trägt er sie bei, wobei aus der differenz zwischen vermutung und realität tonhöhen abgeleitet werden. im dritten teil versuchen die spieler, den vermutungen des computers entsprechend zu spielen, um tonhöhendifferenzen zu eliminieren. die rolle des dritten mitspielers ist, dem computer die spieldaten einzugeben. (auch er ist in seinen beobachtungen vermutungen und scheitern unterworfen).

a qubit of emotion (2008)
für violine, viola und cello, jedes mit einem laptop
auftrag der bbc

aufnahme: 30. 11. 2008 huddersfield contemporary music festival / bbc
ensemble apartment house

the indian system of emotions, which, however codified, is encrypted into cage's sonatas & interludes, discerns between 4 "white" emotions (humor, wonder, erotic, and heroic) and 4 "black" (anger, fear, disgust, and sorrow) gravitating towards the ninth: tranquility. transcending the binary black/white, this reminds the state vector of quantum mechanics, which, only upon observation, collapses into one finite state. in other words, tranquility could be seen as an emotional qubit: a superposition of states of the black and white emotions, undecided until measured. "a qubit of emotion" aims to construct an emotional quantum computer, conveying informations between wetware (the instrumentalists), hardware (the instrument - laptop system) and software (score & programs running). the observers (audience) may take individual measurements and thus personally collapse the state vector. (note: since black and white both have several substates, the correct term would be "qudit", indicating a plurality of states rather than binary).

erfindungshöhe hausmusik (2006)
für tenorblockflöte (lucia mense), el. gitarre (seth josel) und live-elektronik (h. w. koch)

aufnahme: 9.2. 2006 galerie rachel haferkamp koeln, privater mitschnitt

aus den ergänzungen des europäischen parlaments zum richtlinienvorschlag der europäischen kommission zu softwarepatenten, mai 2004:

artikel 2b: "technischer beitrag", auch "erfindung" genannt, bedeutet einen beitrag zum stand der technik auf einem gebiet der technik. die technizität des beitrags ist eine von vier vorraussetzungen der patentierbarkeit. zusätzlich muss der beitrag neu, nicht naheliegend und gewerblich anwendbar sein.der einsatz von naturkräften zur berherrschung physikalischer wirkungen über die digitale darstellung von information hinaus gehört zu einem gebiet der technik. die verarbeitung, handhabung und darstellung von information gehören nicht zu einem gebiet der technik, selbst wenn technische vorrichtungen für solche zwecke verwendet werden."
den klassischen hausmusikinstrumenten blockflöte und gitarre hat sich in jüngerer zeit ein drittes, der computer beigesellt. ähnlich wie für seine älteren kollegen eine reichhaltige literatur an vereinfachungen und bearbeitungen existiert, gibt es in form von virtuellen instrumenten ein breites spektrum an verkleidungen für den -an sich unmusikalischen- gesellen.
das bringt mich auf die frage nach der patentierbarkeit von erfindungen oder, etwas weiter gefasst, den eigentumsverhältnissen von ideen.
als komponist der einen grossteil seiner werke der verwendung von (freier) software verdankt, verfolge ich die derzeitige diskussion über die erteilung von softwarepatenten nach amerikanischem muster mit ziemlicher besorgnis.
gleichzeitig kann ich nicht leugnen, dass auch das veröffentlichen eines neuen stückes eine art patentantrag bedeutet, der bestimmte ideen als meine markiert, ohne dass ich im einzelfall immer bis ins letzte ermitteln kann, ob ich nicht das rad wieder erfunden habe.
erfindungshoehe hausmusik wird versuchen, sich dieser problematik zu stellen und auf der basis von altbekanntem material einen beitrag zum stabd der technik des komponierens zu leisten, der "neu, nicht naheliegend und (wahrscheinlich wieder eher nicht -hwk) gewerblich anwendbar" ist.

bad lausick (2006)
audiostück, stimme: bettina wenzel

das stück entstand als auftrag für die 2006er ausgabe des festivals "was hören wir" der denkmalschmiede höfgen und bezieht sich auf die historischen wandlungen des namens der stadt bad lausick, in der das festival als musikalisierte stadt zu gast war.
alle klänge sind aus sprachaufnahmen der erschiedenen stadtnamen entwickelt.

call first (aria) (2002)
für stimme (bettina wenzel) und live-elektronik (h.w. koch)

aufnahme: 7.7. 2002, alte feuerwache köln

der erste einer serie von 19 beschwörenden rufen, 1584 dem englischen universalgelehrten john dee und seinem gehilfen edward kelly während einer reihe von spiritistischen sitzungen in der sprache der engel (enochisch) übermittelt. die elektronische transformation dient als vehikel, um -ähnlich einer richtigen beschwörung- die stimme mit ihren inneren räumen in kontakt zu setzen.
das stueck ist eine studie zu meiner oper "passage des anges", die 2002 als teil der gemeinschaftsproduktion "unbezahlbare arien" mit zdenek plachy am stavovske divadlo in prag aufgeführt wurde und die ganz auf den protokollen von dees seancen zwischen 1583-87 basierte.

digitizer (2000)
für tenorblockflöte (lucia mense) und davon kontrollierte liveleketronik

aufnahme 1. 10. 2000, heinz-nixdorf museum paderborn, privat.
"die blockflöte als versuchskaninchen in einem sich ständig selbst modifizierenden digitalen klangdschungel. wie in einem computerspiel müssen reaktionen erforscht, fallen umschifft werden. am ende sollte die elektronik schachmatt gesetzt sein."
das stück "digitizer"  wurde mit hilfe des computerprogrammierbaren modularsynthesizers "micromodular" realisiert. die flöte bewegt sich interagierend durch vier "levels" der komposition, die jeweils klanglich spezifische reaktionsweisen erfordern (und hier die traditionelle satzfolge ersetzen).

dazwischer (2001)
für el. gitarre und liveelektronik (ein spieler)

aufnahme: 11.11.2009 beim guitar festival muenster, es spielt seth josel

durch die koppelung der länge eines delays an die intensität der rückkopplung zwischen elektrischer gitarre und dem verstärker, auf dem sie liegt, entsteht ein labiles gleichgewicht, in das der interpret nur eingreift, um es zu stören. der fiktive komparativ von dazwischen charakterisiert die situation des stückes zwischen mehreren stühlen: installation - konzertstück - akustisch - elektronisch - versuchsanordnung - werk - für gitarre - für elektronik
eine elektrische gitarre liegt auf einem gitarrenverstärker. die entstehende rückkoppelung schwingt sich auf eine tonhöhe ein, die sowohl von der akustik der gitarre als auch des verstärkers und des umgebenden raumes abhängig ist. alle (für kürzere versionen: mindestens die drei tiefsten) saiten werden auf diese tonhöhe gestimmt. die rückkoppelung wird so eingepegelt, dass sie sich nicht aufschaukelt. in den rückkoppelungsweg werden dann zwei von der amplitude der rückkoppelung gesteuerte delays geschaltet. (im computer realisiert). die delayzeit verlängert sich bei steigender amplitude der rückkoppelung. dadurch wird ein übersteuern der rückkoppelung verhindert und es entstehen durch die veränderung der delay-auslesezeit zusätzliche klänge und tonhöhen. aufgabe des gitarristen ist es, immer dann aktiv zu werden, wenn das system wieder einen stabilen zustand erreicht hat: sobald sich die rückkoppelung auf eine feste tonhöhe eingeschwungen hat, beginnt er die oberste saite ein wenig zu lockern. dadurch wird der stabile zustand labil, das ganze system gerät in bewegung und muss sich neu einschwingen. sobald dies erfolgt ist, lockert er die nächste saite. dieser wechsel wiederholt sich so lange, bis die saiten ganz lose auf dem griffbrett liegen und gar keine schwingung mehr möglich ist. es findet also ein ständiger wechsel zwischen aktivität des gitarristen und aktivität des klingenden systems statt, ein gitarrenstück, das am meisten klänge erzeugt, wenn der gitarrist die wenigsten bewegungen macht.

strang (2002)
fuer el. gitarre (seth josel), harfe (rhodri davis), violoncello (anton lukosievice) und 3-kanal live-elektronik (hans w. koch)

aufnahme 17.7.2002 deutschlandfunk, kunststation st peter, koeln

idee:
kammermusik erscheint dann am gelungensten realisiert, wenn mehrere musiker wie an einem strang ziehen und dadurch zu einer uebergeordneten einheit verschmelzen. diese metapher ist hier ins woertliche gekehrt, indem die musiker tatsaechlich gemeinsam an einer schnur ziehen, die, zum kreis geknuepft, durch die saiten ihrer instrumente geflochten ist.
was sich zu beginn wie ein worksong in gleichem rhythmus etabliert, geraet in der folge des stuecks aus den fugen, wenn ploetzliche geschwindigkeits- oder richtungsaenderungen von einzelnen spielern eingebracht werden. aus dieser offenheit gegenueber eigenwilligen impulsen im konflikt zum angebunden sein an den gemeinsamen strang bezieht das stueck seine raison d`être.

projektbeschreibung:
die vier musiker sitzen im kreis. durch die saiten ihrer instrumente ist eine schnur zum kreis geknuepft, die die vier instrumente miteinander verbindet. die schnur besteht aus abwechselnd glattem und rauhem material, in das in unregelmaessigen abstaenden knoten geknuepft sind. jeder musiker fasst mit seiner rechten hand die schnur, die sie in gemeinsamem rhythmus und wechselnder geschwindigkeit durch die saiten ziehen. die linke hand ist die spielhand, mit der auf den saiten toene gegriffen werden. durch die verschiedenen materialien der schnur und die knoten darin werden die saiten der instrumente nacheinander unterschiedlich angeregt. jeder spieler hat dazu einen bestimmten vorrat an gegriffenen tonhoehen, der als schicht unabhaengig von der art der anregung ist. die entstehenden klaenge sind extrem zart und werden elektronisch verstaerkt.
die elektronik ist mittels eines sensors ebenfalls mit der schnur verbunden, aus den so gewonnenen daten werden informationen zur steuerung von modulation und raumposition der akustischen instrumente abgeleitet.

[X∞ = op (X∞)]3 (1997/2008)
live-feedbacksystem + zuspielung(gesprochen: klammer auf: x von unendlich ist gleich operation x von unendlich: klammer zu, hoch drei)

die arbeit basiert auf aufnahmen in meiner installation [X ∞ = op (X∞)]2 für die BrückenMusik 3, 1997. sie ist teil einer werkreihe, die sich auf eine formel des österriechisch amerikanischen philosophen  heinz von foerster bezieht. in dieser formel wird ein autopoietisches system beschrieben, das hier auf klang angewendet wird.
was klingt (X) wird teil dessen, was erklingen wird (op(X)) infolge einer kontinuierlichen überlagerung auf einer tonbandschleife ( ∞). ein kleines rückkoppelungssystem (eine pappröhre mit mikrophon und kleinem lautsprecher) und ein grosses rückkoppelungssystem (der langgestreckte erste raum im hohlkasten der deutzer brücke mit mikrophon und lautsprecher an gegenüberliegenden enden) sind miteinander verschränkt (2). die formel entstammt ursprünglich einem text heinz von försters.
„will man hier noch immer nach einer ursache-/wirkungsrelation suchen, dann kann man sie nicht in dem paar reiz/reaktion suchen, sondern nur dort, wo zugehörigkeit besteht, und die findet man im paar op/x∞ oder, in anderen worten, im paar organismus/verhaltensweise. nicht der reiz, sondern der organismus ist für sein verhalten verantwortlich.“

(aus: heinz von förster: entdecken oder erfinden; münchen 1985)


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